Spaß
im spanischen Krankenhaus
Wer auf Dauer in Spanien lebt
und das Glück hat älter und älter zu werden, kommt mit ziemlicher
Sicherheit an einem Krankenhausaufenthalt nicht vorbei.
Auch wenn
ich jetzt darüber meine Erfahrungen niederschreibe, bitte ich immer
zu berücksichtigen, dass sich die Zustände von Region zu Region und
von Krankenhaus zu Krankenhaus gewaltig unterscheiden können. Vorweg
noch eines: die medizinische Betreuung war wirklich
einwandfrei!
Meine speziellen Erfahrungen betreffen das alte
Krankenhaus „La Fe“ in Valencia. Der Neubau war noch nicht fertig
– die Crisis lässt grüßen.
Hier in Spanien geht alles ganz
schnell – wenn es denn mal geht! So erhielt ich nach einer
Wartezeit von nur einem Monat einen Anruf, mich in 4 Tagen morgens um
9 Uhr im „La Fe“ einzufinden. Valencia liegt von meinem Wohnort
immerhin rund 100 km entfernt. Spanienerfahren wie wir nun mal sind,
bat ich meinen Willi vor dem Krankenhaus zu warten. Ich wollte sicher
sein, dass ich auch wirklich an diesem Tag dort aufgenommen wurde.
Ich fragte also bei der zuständigen Stelle.
„Ja, Du wirst
heute aufgenommen“, bekam ich zur Antwort. Auf meine Frage, ob ich
ab sofort im Krankenhaus bleiben müsse, kam ebenfalls ein klares
„Ja“. Also eine kurze SMS an meinen Willi und der fuhr wieder
heim.
Nach einer letzten Blutuntersuchung wurde mir mein Zimmer
gezeigt. Ich muss dazu bemerken, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt
immer nur in Privat-Krankenhäusern war. Also
5-Sterne-Luxus-Einzelzimmer, Traumbad, Speisekarte zur Auswahl… Und
nun wurde ich in ein winziges Kämmerchen geschoben, das mit den zwei
darin stehenden Betten und den beiden winzigen Schränkchen total
überladen war. Oh ja, es gab auch ein Bad – besser gesagt: eine
Toilette. Zum Duschen bitte über den Gang!
Nein,
ich bin kein Luxusweib, aber der Unterschied war halt etwas krass.
Kaum in diesem Kämmerchen angekommen, meinte die nette Schwester:
„So, Du kannst jetzt machen was Du möchtest. Aber seit bitte
spätestens um 20 h wieder hier. Mittagessen geht, aber dann nichts
mehr. Morgen ist die Operation."
Na, ich war stocksauer.
Mein Willi befand sich lange wieder auf der Autobahn. Was blieb mir
übrig: ich erkundete ein Stückchen Valencia, tafelte fürstlich
(wer weiß, wann ich das nächste Mal etwas zu Essen bekommen würde?)
und fand mich am späten Nachmittag wieder in meinem Zimmerchen ein.
Eine Schwester rückte an, drückte mir einen himmelblauen Pyjama
(mit Hosenstall) in die Hand und schickte mich zum Duschen. Irgendwie
fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Wie froh war ich,
wenigstens das Zimmer für mich allein zu haben. Die Nacht kam, ich
ging ins Bett und suchte nach der Fernbedienung zur Einstellung des
Kopf- und Fußteils. Nicht zu finden. Ich fragte die Schwester
(übrigens ist mir noch niemals in meiner reichen
Krankenhauserfahrung so ein liebenswürdiges, hilfsbereites Personal
begegnet, wie bei der Sozialversicherung). Sie fragte, ob ich den
Kopf höher haben wollte und fing auf mein Nicken an, wild zu
kurbeln. Ich staunte nicht schlecht.
Wie bei einem Oldtimer
konnte man das Bett nur über eine Kurbel bedienen und zwar für den
Patienten unerreichbar von außen am Fußende. Ich fragte, was ich
nach der Operation machen sollte, wenn ich die Einstellung verändert
haben möchte. Ich könne dann sicher nicht fröhlich aus dem Bett
hupfen. Sie Schwester lächelte, drückte mir die Rufklingel in die
Hand und sagte: „Einfach drücken. Ich bin sofort da!“
Die
Nacht verging, die Operation auch.
Nach zwei Tagen Intensivstation wurde ich wieder in mein Zimmer
gebracht – doch welch ein Schock - ich war nicht mehr allein. Eine
alte Dame lag im Nachbarbett. Davor auf einem Sesselchen hockte ihr
Gatte. Mir war das in dem Moment ziemlich egal, ich war noch voller
Medikamente und hatte einen Dröhnkopf. Es war ruhig im Zimmer, ich
schlief ein. Doch dann wurde ich aus meinem Erholungsschlaf gerissen.
Die spanische Familie war eingetroffen. Drei erwachsene Kinder nebst
Ehepartner und den lieben Enkelchen. Himmel! Es war laut wie bei
einem Fußballspiel in der Südkurve.
– Sagen mochte ich nichts. Erstens bin ich Ausländerin und
zweitens waren die ja in der Überzahl. – Endlich, nachdem sie
mehrmals von der Schwester aufgefordert wurden, trollte sich die
liebe Familie. Ich hatte die Augen geschlossen und bemerkte nicht,
dass einer zurückblieb: der Ehemann. Nur durch eigenartige
Knittergeräusche wurde ich aufmerksam und sah mit Erstaunen, dass
der kleine Mann sich eine Matte vor das Bett seiner Frau legte, um
sich darauf zum Schlafen nieder zu lassen. Ich war platt. Wie sollte
das denn gehen? Es konnte ja nicht einmal mehr eine Schwester das
Zimmerchen betreten, wenn ich sie brauchte. Und – befestigt am
Tropf und auch sonst total daneben – ich konnte nicht aufs Örtchen.
Peinlichkeit kroch in mir hoch, als ich dann dringend die
Schwesternklingel betätigen musste. Nun lief ab, was sich in den
kommenden Tagen und Nächten sehr häufig wiederholen sollte:
Tür
öffnete sich einen Spalt, das Männchen stand von der Matte auf,
rollte sie zur Seite, verließ den Raum. Die Schwester schwang die
Bettpfanne, verließ den Raum, das Männchen kam zurück, rollte die
Matte wieder aus und legte sich drauf.
War das schon schlimm,
so wurden meine Nerven jeden Abend einem neuen Härtetest
unterworfen, wenn die Verwandtschaft anrückte. Doch man muss auch
die positiven Seiten sehen: zwischen den Betten oben an der Wand
befand sich ein Flachbildschirm-TV. Der Leser wird sich nun fragen,
was das Positive daran sein soll, wo eh schon täglich ein
Unterhaltungs-Live-Programm im Zimmer ablief. Ganz einfach: das
Positive daran war – der Fernseher war kaputt! Ich mag mir nicht
ausmalen, in welche Anstalt
man mich gebracht hätte, wäre dieses Gerät auch noch den ganzen
Tag am Dröhnen gewesen.
Ich war unendlich glücklich,
nach einer Woche diesem Irrenhaus entkommen zu können.
Doch eine
Frage brennt mir immer noch auf den Nägeln: Was hätten die
eigentlich gemacht, wenn mein Willi auch bei mir geblieben
wäre?
Lilac Namez, Spanien 2008
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