Das
Mufflon an meiner Seite
Schlecht gelaunte Männer kommen
bei Frauen selten gut an. Besonders, wenn ihre Launen noch starken
Schwankungen unterliegen. Mit einem Dauermauli an
ihrer Seite hat Frau nicht mehr viel zu lachen. Eine Leidtragende
zieht Bilanz.
Wenn Kummer eine Farbe hat, dann ist es diese
Mischung aus glitzerndem Grün und zinnoberrotem Rouge, die mir
damals durchs Make-up floss. Ich höre sie noch rauschen, die
Sturzbäche aus Tränen, den Resten sündhaft teurer Mascara und
eines Lidstriches, für dessen Auftragen ich durch wochenlanges
Selbststudium in namhaften Frauenzeitschriften eine halbe
Kosmetikerinnenausbildung absolviert habe. Ich wollte toll aussehen
bei diesem Fest, der Hochzeit meiner besten Freundin. Und eigentlich
standen alle Zeichen gut für einem wunderbaren Tag – bis zu jenem
verhängnisvollen Augenblick, in dem mein Freund seiner schlechten
Laune freien Lauf ließ.
Es war nicht sein Tag. Beim
Einparken vor der Kirche hatte er dem Nummernschild des
Schwiegervaters der Braut eine Schramme verpasst, beim
Champagnerempfang schüttete ein Blumenkind Cola auf seinen Schuh.
Eigentlich war das alles nicht so schlimm – aber für ihn wieder
mal ein Beweis dafür, dass das Schicksal gegen ihn war. Und ich
sowieso. Schließlich hatte ich mir trotz seiner Misere vorgenommen,
mich zu amüsieren, was ihm wiederum ein Beweis dafür war, dass er
nie auf meine Solidarität setzen konnte!
Es war wieder
einmal so, als hätte er nur nach einem Anlass gesucht, sich fortan
mit heruntergezogenen Mundwinkeln an der Bar zu installieren. Als er
mir dann auch noch sagte, dass mein Kleid für eine Frau von Mitte 30
zu gewagt sei, konnte ich die Tränen gerade noch bis zur Toilette
zurückhalten. Jetzt stand ich vor dem Spiegel, betrachtete die zwei
fetten Farbstriche unter meinen Augen und schwor Rache für jede
Minute, die mir dieser Mann mit seinen schlechten Launen vermiest
hatte.
Eine Beziehung mit einem launischen Partner ist wie
Schlittern über dünnes Eis. Doch das Schlimmste daran sind nicht
die Einbrüche, sondern ihre Unberechenbarkeit. Da verabredet man
sich zu einem romantischen Abendessen, schwelgt in gemeinsamen
Erinnerungen, flüstert sich Zärtlichkeiten zu – und dann, ganz
plötzlich kippt die Stimmung, weil frau den Kellner eine Spur zu
nett angelächelt oder nicht gebührend auf einen Kommentar des
Gegenübers reagiert hat.
Meine Freundin Gabi steht um fünf
Uhr morgens auf, um dem Gatten ein Nutellabrot auf den Nachttisch zu
legen, damit sie nicht am frühen Morgen schon die unschönen Folgen
seiner Unterzuckerung zu spüren bekommt. Anja dreht hektisch das
Radio leise, wenn sie den Schlüssel in der Tür hört und stolpert
ins Bad, um noch mal schnell zu kontrollieren, ob sie die
Zahnpastatube auch wirklich zugeschraubt hat.
Die schöne
Ramona aber greift zur ältesten Methode der Welt, wenn der Herr und
Gebieter beim Abendessen aus irgendeinem Grund plötzlich wortkarg
wird und seine Augenbrauen beginnen, sich gefährlich zusammenziehen
– dann zieht sie sich einfach aus und mimt die lüsterne Hausfrau.
„Gelingt immer“, sagt sie. Und auch Anja und Gabi halten ihre
Männer mit ihrem vorauseilenden Gehorsam tatsächlich bei Laune.
Zumindest für einen Augenblick.
Andere Frauen sind wieder mal
selber Schuld.
Dauerhaft aber nützen all jene Methoden so
viel wie ein Schmerzmittel gegen Zahnweh. Weniger noch: Es ist, als
würde man versuchen, mit klebrigen Bonbons ein Loch im Zahn zu
stopfen. Denn Anja, Gabi und Ramona füttern die Launen ihrer Partner
wie ein Süßigkeitssüchtiger seine Karies. Und tatsächlich ist die
Reizbarkeit eines unleidlichen Gegenübers mit nichts besser zu
vergleichen als mit schleichender Zahnfäule, die nicht nur wehtut,
sondern auf Dauer den Biss raubt. Denn sie kratzt nicht nur
gefährlich am Selbstwertgefühl, sondern erschüttert auch ganz
mächtig die Beziehung. Wer mag schon das Leben, geschweige denn das
Bett, mit einem Mann teilen, dessen Charme irgendwo zwischen dem
eines Elektrozauns und einer beleidigten Leberwurst liegt?
Dabei
sind wir Frauen wieder mal selber Schuld. Ich habe das schon als Kind
nicht verstanden: Die Familie sitzt am Frühstückstisch. Papas Blick
verrät, dass er schlecht geschlafen hat und den anstehenden
Geschäftstermin am liebsten auf den Sanktnimmerleinstag verschieben
würde. Da streicht Mama ihm mit zarter Hand über die zu Berge
stehenden Haare: „Manfred, du siehst schlecht aus.“ Papa
schweigt. „Komm, trink noch ein Glas Buttermilch, die magst du doch
so gern.“ Papa schweigt. „Darf ich dir ein Brot mit dem
Emmentaler schmieren?“ Papa schweigt. „Guck mal, ich hab dir
extra bei Schlachter Holste den leckeren Fleischsalat gekauft ...“
Papa brüllt.
Es ist ja nicht nur so, dass wir den
Männern mit unserer Fürsorge auf die Nerven gehen, wir züchten uns
die verwöhnten Tyrannen selber heran. Wenn ich meinem kleinen Sohn
die Wahl lasse zwischen „Michel aus Lönneberga“, „Pipi
Langstrumpf“ und der „Sendung mit der Maus“, dann brüllt er,
weil ich ihm „Winnetou I“ verweigere. Lass ich ihn aber so gut
wie nie fernsehen, dann überschüttet er mich mit selbstgemalten
Bildern und Knetfiguren aus lauter Dankbarkeit für eine
gelegentliche Begegnung mit dem „Sandmännchen“.
Mit den
launischen Partnern ist es genauso: Man muss sie kurz halten. Je mehr
wir uns um sie bemühen, desto selbstverständlicher nehmen sie
unsere Zuwendung – und treten sie bisweilen mit Füßen.
Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass das Gen HTR2C die
Schuld an schlechter Laune trägt. Es steuert die Ausschüttung des
Glückshormons Serotonin, das je nach Konzentration die Menschen
friedfertiger oder aggressiver macht. Warum Menschen bei gleicher
Konzentration dennoch auch unterschiedlich reagieren können, bleibt
vorerst ein Rätsel.
Das bringen Beziehungen nun mal so
mit sich.
Tatsache ist, dass er uns irgendwann alle einholt,
der Augenblick, in dem man das genüssliche Lecken über den
Joghurtdeckel nicht mehr als niedliche Marotte betrachtet, sondern
als Zumutung. In dem man nicht weiß, ob man nicht lieber in einem
Bushäuschen sein Dasein fristen möchte, statt in dem beschaulichen
Reihenhaus im Grünen bis zum Ende seiner Tage die regelmäßigen
Rülpser nach einer Flasche Bier zu ertragen. Er kommt irgendwann: der
Augenblick, in dem man von dem geliebten Menschen an seiner Seite
genervt ist. Das, so der französische Soziologe Jean-Claude
Kaufmann, bringen Beziehungen nun mal so mit sich.
Das sei der
Preis für die Unterschiedlichkeit von Partnern, die ja wiederum die
Voraussetzung dafür ist, dass eine Beziehung in vielerlei Hinsicht
fruchtbar ist. Doch das kann man sich noch so bewusst vor Augen
halten: Die schmutzigen Socken, nach denen man sich spätestens seit
der Hochzeit täglich bückt, bringen einen trotzdem auf die Palme –
und verderben die Laune. Was sich liebt, das nervt sich. Männer und
Frauen passen eben doch nicht wirklich zusammen.
Was sie
dennoch zusammenhält, ist das stete Bemühen, die positiven nicht
von den negativen Gefühlen überschatten zu lassen, eine Beziehung
als Freundschaft zu betrachten, in der man sich immer wieder aufs
Neue Achtung, Wertschätzung schenkt. Und in der man über die Macken
des anderen und die eigenen auch einfach mal lachen kann.
"Sei
kein Pfannkuchen"
Mit dem Dauermauli an meiner Seite gab
es nichts mehr zu lachen. Als ich damals in der Toilette des
Schlosshotels mein verquollenes und verschmiertes Gesicht
betrachtete, war es plötzlich wie eine Offenbarung. Was tue ich mir
hier an? Wie konnte ich es so lange ertragen, immer in
Habachtstellung zu sein, angespannt darauf bedacht, nur nichts falsch
zu machen? Ich wollte nicht länger mein Leben mit einem Menschen
teilen, der drauf und dran war, mich in den Sog seiner eigenen
ständigen Unzufriedenheit zu reißen. Ich wusch mein Gesicht, atmete
drei Mal tief durch und stolzierte zurück in den Saal.
Dann
stellte ich mich vor den genervten Mann an der Bar und setzte gerade
an zu einer Tirade an Bosheiten, die allem ein Ende bereiten sollte,
als ich mich doch eines Besseren besann: Ich hatte viel zu lange mein
Lebensgefühl von ihm bestimmen lassen, jetzt wollte ich mich nicht
auch noch auf sein Niveau herablassen. Stattdessen sagte ich ihm, was
ich ihm schon längst hätte sagen sollen. Dass er sich seiner
eigenen Lebensfreude beraubt mit einer Haltung, die nur darauf
wartet, dass wieder etwas nicht so klappt, wie er es sich vorgestellt
hat. Und dass unsere Beziehung so nicht weiter geht.
Wirklich,
ich meinte es gut. Ich wollte es noch mal versuchen. Und er? Er fand
es wieder mal typisch, dass ich ausgerechnet an einem Fest eine
Grundsatzdiskussion anfangen wollte. Lag es an dem Duft, der vom dem
gerade eröffneten Kuchenbuffet in meine Nase stieg? Ich hörte gar
nicht mehr auf sein Gemecker, ich hörte nur noch auf eine innere
Stimme, die immer lauter wurde. „Sei kein Pfannkuchen“, hatte
meine Mutter gesagt, nachdem ihr irgendwann bewusst wurde, dass sie
sich auch selbst einen launischen Mann herangezüchtet hat.
„Wer
sich zum Pfannkuchen macht, muss sich nicht wundern, wenn er
gefressen wird.“ Ich ging zum Buffet, legte zwei besonders schöne
Exemplare des zuckerigen Schmalzgebäcks auf den Teller und brachte
sie an die Bar. Ich biss genüsslich in den einen. Den anderen
überreichte ich ihm als offizielles Abschiedsgeschenk.
(Autor
unbekannt)
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