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Ziehen wir doch nach Spanien!



Die Kinder sind groß und haben eigene Familien und wir sind nicht geneigt, die nun vor uns liegenden, kostbaren Jahre als Babysitter für die lieben Enkelchen, beim Briefmarkensammeln oder im Schrebergarten zu verbringen.
Wir möchten die Nase endlich mal über den Tellerrand stecken. Einmal im Leben noch einen totalen Bruch machen. Einfach mal weg!
In den vergangenen fast 50 Arbeitsjahren waren wir häufig im Urlaub und hatten dabei die Gelegenheit, ein paar andere Länder kennen zu lernen. Welches würde uns dazu reizen, unseren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen? Es sollte nicht zu weit entfernt sein von der Familie, am besten mit dem Auto erreichbar.





Copyright Jens Maerker, pixelio.de

Und dann sind wir uns einig: das spanische Festland ist eigentlich ideal. Nicht zu weit und trotzdem schon fast tropisch, die Palmen, das Essen, die herrlichen Strände, die feurige Musik und ja… der Rotwein. Es wird in den Küstengebieten fast überall Deutsch gesprochen, was eine Erleichterung ist, wenn man selbst gerade erst beginnen will, eine Fremdsprache zu erlernen. Das ist ja auch nicht mehr so einfach wie damals in der Schule.
Gut. Das wäre geklärt. Nun die nächste Frage: etwas kaufen oder etwas mieten? Die Preise für Häuser sind in die Knie gegangen. Aber lohnt sich noch ein Kauf? Wie lange können wir es noch nutzen? Würden die Kinder es später mit Freuden übernehmen oder lieber loswerden wollen?
Man einigt sich auf einen Kompromiss: die Eigentumswohnung in Deutschland wird behalten, die Möbel bleiben drinnen und man selbst nimmt sich zunächst ein Häuschen zur Miete so sagen wir mal, für ein Jahr. In dieser Zeit kann man entscheiden, ob der Entschluss nach Spanien zu gehen sich verfestigt oder ob wir für diesen Sprung in eine andere Mentalität, in andere Klimaverhältnisse doch nicht mehr flexibel genug sind.

Ein Haus ist relativ schnell über das Internet zu finden. Wenn es nicht gefällt, dann suchen wir uns vor Ort eben etwas anderes. Die Koffer sind gepackt, alles andere wird bei Bedarf nachgeschickt. Wir fahren natürlich mit unserem Auto. Mobilität ist alles, gerade in Spanien, wo das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel in kleineren Städtchen eigentlich kaum existent ist. Das wissen wir ja schon vom Urlaub. Ohne Leihwagen war da nichts zu machen.Die Fahrt besteht aus einer Mischung von Wehmut und Vorfreude auf einen Neuanfang, ein neues Leben. Wir sind Rentner, nun geben wir noch mal richtig Gas.
Das gemietete Haus gefällt uns ganz gut. Wie viele Häuser hier in Spanien hat es viele Schlafzimmer, die wir erstmal als Gepäck- und Vorratsräume umfunktionieren. Es ist ein allein stehendes Einzelhaus mit Pool. Was für ein Luxus. Herrlich.

Wir sind in dem Dörfchen Moraira an der Costa Blanca gelandet. Klein, aber fein. Unser Haus liegt etwas weg von der Küste am Hang, so dass wir sogar ein Stückchen Meeresblick von der Terrasse aus haben.
Als erstes fahren wir nach Moraira rein zum Einkaufen. Kleine Lebensmittelgeschäfte gibt es gar nicht mehr. Dafür kann man unter einigen Supermärkten wählen. Der Einkauf verläuft problemlos, auch wenn wir an der Wurst- und Fleischtheke nur durch das Zeigen auf eine Ware und Hochhalten der Finger klar machen können, dass wir zwei Scheiben haben möchten. Die Leute sind wirklich sehr entgegenkommend und bemühen sich, uns zu verstehen. Also es geht doch wunderbar in Deutsch.

Am nächsten Tag wollen wir uns ein spanisches Handy kaufen. Einen entsprechenden Laden haben wir schon am Vortag beim Einkaufsbummel gesehen.
„Wir möchten ein Handy. Jeder!“, sagen wir der freundlich lächelnden Dame.

„Andi?“, fragt sie verständnislos.

Mein Mann holt sein deutsches Handy aus der Tasche, tippt darauf und sagt: „España!“

Die Dame hat uns verstanden. Na, ging doch einfach, denken wir. Sie winkt uns mitzukommen und führt uns an einen riesigen Schaukasten. Dort liegen Handys in allen Variationen, allen Farben und Größen. Wir beraten uns kurz und sind uns einig: ich will ein rotes und mein Mann das gleiche in Blau. So müssen wir uns nicht zweimal mit der Technik vertraut machen. Ich tippe auf unsere Favoriten. Die junge Frau entnimmt der Vitrine die gewünschten Telefone und überreicht sie uns. Ja, genau die sollen es sein. Zum Aufklappen, mit Kamera dabei. Prima. Wir nicken und mein Mann zieht schon einmal seine Visa-Karte aus der Brieftasche.
Die Verkäuferin hebt die Hand als Zeichen – einen Moment! Dann kommt sie mir einem Formularblock und beginnt uns Fragen zu stellen. Naja, so schwierig kann das nicht sein.

„Nombre“ – na klar, Name. Ich sage ihr langsam und verständlich meinen Namen.
„Direccion“ – das hatten wir auch schon mal gehört. Aber natürlich, sie wollte die Adresse wissen. Auch die sagte ich langsam zum Mitschreiben.
„Pasaporte“ – na, so einfach geht das also.
„Numero de NIE“ – Mein Mann und ich schauen uns an. Was war das denn? Wir heben die Achseln. Das junge Mädchen sagt:
„Certificado de Residencia“ – ah, von der Residencia haben wir schon gehört.

Mein Mann winkt ab: „Nix resident! Tourist!“

Die Verkäuferin will nicht aufgeben.
„Empadronamiento?“ – So langsam dämmert es uns, dass sich hier Schwierigkeiten anbahnen. Mein Mann schüttelt den Kopf.
Daraufhin nimmt die Angestellte die beiden Handys, poliert einmal kurz drüber und legt sie wieder in die Auslage.

Sie überschüttet uns mit einem Schwall spanischer Erklärungen, von denen wir nicht ein Wort verstehen. Gut, gehen wir eben. Es wird ja noch andere Telefongeschäfte geben, in denen man entgegenkommender ist.

Wir haben auf dem Weg zum Hafen noch ein Geschäft entdeckt und steuern dieses nun an. Auch hier ist die Auswahl riesig. Unsere Favoriten sind zwar nicht dabei, aber wir finden zwei sehr schöne Geräte desselben Herstellers – wieder eines in Blau und eines in Rot.
Ein junger Mann bedient uns und wir haben Glück: er spricht ein wenig Deutsch. Wir zeigen ihm die ausgewählten Telefone und es beginnt die gleiche Prozedur wie im vorherigen Geschäft. Name, Adresse, Ausweise, NIE-Nummer…..?

„Was ist das?“, fragen wir den freundlichen Herrn.

„Das ist die spanische Steuernummer für Ausländer, die hier Eigentum haben.“
„Wir haben hier noch kein Eigentum. Wir wohnen zur Miete und suchen erst ein Haus.“

„Sie brauchen auch zum Kauf eines Telefons, eines Autos, ja sogar für einen Eimer Farbe diese N.I.E.-Nummer. Haben Sie sich schon im Rathaus angemeldet?“
„Nein, warum sollten wir? Wir haben ja unsere Hauptadresse noch in Deutschland.“
Es nützte nichts. Wir bekommen wieder keine Handys. Der Mann rät, wir sollten eine Gestoria – ein Steuerberatungsbüro – aufsuchen. Dort würde man uns helfen an die N.I.E.-Nummer zu kommen.
Wo finden wir jetzt so ein Steuerbüro, in dem die Leute Deutsch sprechen? – Ach, kein Problem. Wir haben doch die deutsche Zeitung zu Hause. Da finden wir bestimmt eine passende Adresse.

Es gibt so viele Steuerberatungsbüros in der Zeitung, dass wir gar nicht wissen, wohin wir uns wenden sollen. Alle werben mit der blitzschnellen Beschaffung dieser N.I.E.-Nummer. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Wir entscheiden uns einfach für die hübscheste Anzeige. Gleich nach dem Frühstück am nächsten Morgen soll es losgehen.

Ausgerüstet mit unseren Pässen und Ausweisen fahren wir wieder Richtung Dorf. Die Adresse ist leicht zu finden und wir werden auch sofort freundlich empfangen – in Deutsch.

„Wir brauchen eine N.I.E.-Nummer für den Kauf eines Handys“, erklärt mein Mann.



„Die brauchen Sie nicht nur dafür“, lächelt das junge Mädchen zurück.
„Aber das ist alles kein Problem. Die N.I.E.-Nummer bekommt man bei der Ausländerpolizei in Denia. Vorher brauche ich von Ihnen noch einige Angaben für die Antragsformulare.“

Es geht wieder los: Name, Adresse (die spanische, nicht die deutsche war gefragt), Familienstand, Name des Vater und der Mutter (nur die Vornamen, wie merkwürdig!).

Die Anträge werden schnell am Computer ausgefüllt. Die Dame bittet um einen Augenblick Geduld und telefoniert. In schnellem Spanisch bespricht sie etwas, legt auf und sagt: „Am kommenden Montag um 11.30 h habe ich einen Termin für Sie in Denia. Sollen wir uns dort direkt treffen, kennen Sie sich aus?“

Wir kennen uns natürlich nicht aus in Denia. Also wird vereinbart, sich am kommenden Montag um 10.30 h wieder hier im Büro zu treffen. Wir werden dann mit jemandem von der Gestoria nach Denia fahren.
„Bitte bringen Sie jeder 2 Passfotos von sich mit. Ihre Pässe sind ja noch lange genug gültig. Ich mache gleich Fotokopien von beiden, denn die brauchen wir in Denia.“

Sie springt auf, ging zum Kopiergerät und erledigt es sofort.
„Ich behalte die Kopien hier bei Ihrem Akt. Sie vergessen aber bitte nicht die Bilder und die Pässe!“

Und schon stehen wir wieder auf der Strasse. „Wie einfach und problemlos doch alles hier geht, nicht?“, meint mein Mann.
„Ja, finde ich auch. Aber wir haben ganz vergessen zu fragen, was das kosten wird! Ach, wird schon nicht so schlimm werden. Denia ist nicht weit und das ist ja alles schnell erledigt!“

Natürlich sind wir am Montag überpünktlich wieder im Büro der Gestoria. Ein wenig aufgeregt, denn es soll unser erster Behördenkontakt sein und außerdem ein Schritt in unser neues Leben: eine spanische Steuernummer. Toll!

Wir sind nicht die einzigen Kunden an diesem Tag, sondern fahren mit noch einem Ehepaar und dem Angestellten des Steuerbüros nach Denia. Es ist ein englisches Ehepaar, so kommt keine richtige Unterhaltung zustande. Wir fahren durch einige Straßen und plötzlich hält der Wagen vor einem Gebäude.

„Steigen Sie bitte hier aus. Ich suche nur schnell einen Parkplatz“, der junge Mann wiederholt den Satz in Englisch und braust auch schon davon. Wir haben in der Gestoria unsere Papiere in die Hand gedrückt bekommen. Also gehen wir doch hinein, denken wir uns, und schauen uns schon einmal um.

Sofort werden wir alle Vier aufgehalten und von einem Polizisten nach unseren Namen gefragt. Wir halten ihm unsere Anträge hin und er vergleicht die Namen mit seiner Liste. Dann können wir eintreten. Es ist gar nicht voll. Noch bevor der Mitarbeiter endlich vom Einparken zurück ist, werden wir aufgerufen. Ein wenig verunsichert gehen wir zum Schalter und legen unsere Anträge, die Fotos, die Pässe und die Passkopien vor. Er vergleicht die Pässe mit den Kopien und gibt die Originale an uns zurück. Es wird gestempelt und geheftet, dann erhalten wir eine Kopie des Antrages. Wir sind fertig.

Auch die Engländer sind schon am Nebentisch abgefertigt. Als wir uns dem Ausgang zuwenden, kommt endlich der junge Mann herein.
„Ah, schon fertig. Bitte geben Sie mir die Durchschriften“, er riecht leicht nach Zigarette als er uns die Papiere aus der Hand nimmt. Also wohl eher eine Rauchpause als Parkplatzsuche.

Und schon geht es zurück nach Moraira. Im Büro werden wir gebeten, eine Vollmacht zu unterschreiben, damit die Gestoria für uns in ca. 2-3 Wochen die N.I.E.-Nummern aus Denia abholen kann. Verstehen können wir zwar nicht, was wir da unterschrieben, aber die Dame hat es uns ja erklärt.
„Wir rufen Sie an, sobald wir die Steuernummern haben.“
Als wir wieder auf der Straße sind schauen wir uns an und sagen wie aus einem Munde: „Das hätten wir auch allein geschafft!“
Es dauert drei Wochen, bis der Anruf kommt. Wir fahren ins Büro und man überreicht uns neben den nagelneuen Steuernummern auch gleich die Rechnung – 250 Euro!

Wir schauen wohl so irritiert, dass sich die Dame genötigt fühlt zu sagen: „Bedenken Sie bitte unseren Aufwand. Die Vorbereitungen (die hätte jeder auch allein am Computer machen können), die Begleitung (meinte sie die bezahlte Raucherpause?), die Gebühren für die Nummern (inzwischen wissen wir, dass diese Gebühren rund 10 Euro pro Person ausmachen), die nochmalige Fahrt, um Ihre Nummer abzuholen (diese Kosten teilten wir uns ja wohl mit dem englischen Ehepaar und sicherlich noch ein paar Kunden der Gestoria) – kurz der gesamte administrative Aufwand (übersetzt: Nepp)!“ Doch was können wir tun? Wir zahlen unser erstes Lehrgeld in Spanien.

Nachdem wir auch mit dieser N.I.E.-Nummer keine Handys bei der Telefonica kaufen können (es wird auch noch das Certificado de Residencia verlangt) gehen wir in ein großes Elektrogeschäft. An der Fensterscheibe haben wir einen Aufkleber gesehen auf dem wir erkennen, dass dort auch Handys angeboten werden. Es dauert keine 15 Minuten und wir haben beide neue „Movil“-Telefone, mit günstigen Bedingungen, wie es uns scheint. Wir haben ja auch nicht vor sooo viel zu telefonieren.
Einig sind wir uns über eines: in dieser Gegend wollen wir uns niederlassen. So beginnen wir mit der Suche nach einem Häuschen. Es soll so sein wie das, in dem wie jetzt zur Miete wohnen, aber nicht so hügelig. Ebenerdig gebaut (man muss ja auch ans Alter denken) und auch das Grundstück flach. Zwei Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, am liebsten 2 Bäder, Terrasse und natürlich ein Pool. Wir sind im Mai herunter gekommen und nun beginnt der Juni. Es wird langsam warm, also ohne Pool ist gar nichts zu machen.

In Moraira gibt es einen Immobilienhändler neben dem anderen. Man muss nur von Schaufenster zu Schaufenster gehen und kann sich sein Traumhaus aussuchen. So machen wir es dann auch. Hier bewahrheitet sich das, was wir in Deutschland immer hörten: alle sprechen Deutsch. So ist es leicht, unsere Vorstellungen zu beschreiben.

Wir haben ja die Wirtschafts-Krise und entsprechend gibt es Objekte ohne Ende. Jeder Immobilienhändler scheint kurz davor zu sein, uns gleich beim Erkennen der Kaufabsicht Fußfesseln anzulegen.

Wie es aber so ist im Leben – die wirklichen Traumhäuser übersteigen unseren Etat. Nach drei Wochen finden wir dann aber doch eine freistehende „Casita“, die unseren Vorstellungen sehr nahe kommt. Wir besichtigen das Haus. Es ist möbliert, wie das hier in Spanien wohl so üblich ist. Alles ist sehr sauber, frisch gestrichen und poliert. Die Küche sogar voll eingerichtet. An das Kochen mit Gas haben wir uns inzwischen schon gewöhnt. Das Grundstück ist rund 600 qm groß, der Pool 8x4 Meter, alles ist mit einer halbhohen Mauer umgeben (die können wir ja noch ein wenig aufstocken, meint mein Mann zu mir).



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Wir schauen uns noch ein paar andere Objekte an, kommen aber immer wieder auf dieses Haus in einer sehr schön grünen Urbanisacion (Siedlung) in Moraira zurück. Es hat einen Abstellplatz für mindestens 2 Autos und noch eine Garage. Sogar unser Wunsch nach den zwei Bädern wird erfüllt.

Wir schlagen ein. Der Makler wird den Notartermin für uns vereinbaren und fragt, ob wir das Haus gemeinsam - also auf unser beider Namen zu gleichen Teilen – kaufen wollen. Natürlich wollen wir das.
Der Makler füllt einen Vorvertrag aus. Der ist zur beiderseitigen Absicherung, erklärt er uns. Damit bis zum Notartermin kein Zwischenverkauf stattfinden kann. Es dauert nicht lang, bis er in seinem Computer den schon bestehenden Vertrag mit unseren Daten ausfüllt. Dann druckt er ihn aus und legt ihn uns zur Unterschrift vor. Er ist in Spanisch, Englisch und Deutsch geschrieben – was für ein Glück.
Außer unseren Daten und denen des Besitzers steht im Vertrag der Preis des Hauses sowie der Passus, dass wir 10 % bei Unterschrift anzahlen müssen. Solle es beim bereits festgesetzten Notartermin durch unsere Schuld nicht zum Verkauf kommen, ist dieses Geld verloren. Solle es jedoch durch das Verschulden des Verkäufers scheitern, muss er uns die doppelte Summe zurückzahlen. Das ist gesetzlich so festgelegt, sagt uns der Immobilienhändler.

Wir vereinbaren einen Termin für den kommenden Tag zur Unterschrift dieses Vorvertrages und zur Übergabe der Anzahlung. Der Notartermin soll 14 Tage später stattfinden.
Nachdem wir am nächsten Tag die Zahlung und Unterschrift hinter uns gebracht haben, erläutert der Makler uns den weiteren Ablauf:
„Der Kaufpreis der Immobilie beträgt 475.000 Euro. Bringen Sie zur notariellen Beurkundung einen bankbeglaubigten Scheck in Höhe von 250.000 Euro mit und den Rest bitte in bar.“
Wir schauen den Mann erstaunt an. Mit einem milden Lächeln klärt er uns auf:

„Die 250.000 Euro sind der Kaufpreis, der offiziell in die Escritura (Eigentumsurkunde) eingetragen wird. Auf diese Summe zahlen Sie die Steuern, die Gebühr für den Grundbucheintrag und so weiter. Es ist doch nur in Ihrem Sinne, die Summe so gering wie möglich zu halten. Leider können wir jedoch nicht noch weiter runter mit dem Preis, weil das Finanzamt sonst aufmerksam wird!“ Er strahlt uns Beifall heischend an. Wir schauen einander an und wissen nicht: sollten wir uns freuen oder ist das unkorrekt? Naja, er ist Immobilienhändler und wie er uns erklärt, ist das die übliche Abwicklungsform. „Warum dem Finanzamt noch was hinterher schmeißen“, kichert er.
Wir gehen zu unserer Deutschen Bank – in der man natürlich Deutsch sprich – und erklären, dass wir zum Notartermin einen bankbeglaubigten Scheck über 250.000 Euro und 225.000 Euro in bar benötigen. Die Beraterin lächelt und meint: „Na, das sieht ja ganz so aus, als hätten Sie Ihr Traumhaus gefunden!“

„Siehst Du“, sagt mein Mann, als wir wieder im Auto sitzen, „für die Banker scheint das auch ein ganz normaler Vorgang zu sein. Wir machen das schon richtig!“

Der Notartermin kommt, alles verläuft reibungslos. Die „Geldübergabe“ erfolgt ohne Beisein des Notars in einem Nebenzimmer, denn er darf ja offiziell nicht sehen, dass hier noch schwarzes Geld floss. Im Protokoll wird dann nur festgehalten, dass die Zahlung bereits mittels eines bankbeglaubigten Schecks erfolgt ist.

Wir erhalten eine vorläufige Besitzurkunde, die "Nota Simple". Das Original bekommen wir später, nachdem es beim Grundbuchamt eingetragen und abgestempelt ist.. So in etwa 3 Monaten werden wir Bescheid bekommen. Die Schlüssel des Hauses jedoch erhalten wir sofort. Gemeinsam mit den Rechnungen für Strom, Wasser und noch einigen anderen Dokumenten. Der Immobilienhändler, der uns begleitet, bietet uns an, die Ummeldungen beim Strom- und Wasserversorger auf unseren Namen vorzunehmen. Eine nette Geste, wie wir finden.
Nun sind wir Hausbesitzer!

Natürlich fahren wir sofort noch einmal zu „unserem“ Heim, um es endlich ganz in Besitz zu nehmen. Wir schlendern durch die Räume und planen grob, welche Möbel bleiben und welche ersetzt werden sollten. Es muss eine Menge raus. Aber nach und nach, denn unser finanzielles Polster ist dünner geworden und bald müssen wir nur noch von den Renten leben. Das ist kein Problem, aber große Anschaffungen… nun ja, die muss man sich dann gut überlegen. Aber wir haben ja alles. Das Haus ist bezahlt, das Auto fast neu und wird noch lange halten und die Möbel können ja nach und nach durch neue ersetzt werden.

Wir feiern unser neues Haus an diesem Abend mit einem großzügigen Essen im Yachtclub von Moraira.

Zunächst bleiben wir noch in dem gemieteten Haus wohnen. Es ist bis Ende Juni bezahlt. In dieser Zeit können wir in Ruhe die ersten Änderungen in unserem neuen Zuhause vornehmen. Ein paar Wände werden farbig gestrichen, die ersten Möbel werden rausgestellt, die Gartenmöbel gesichtet und das erste Bad im neuen Pool genommen. Dann beginnen wir mit dem Umzug.

Wir sind gerade dabei, unsere privaten Sachen aus dem Auto ins Haus zu tragen, als das Maklerbüro anruft. Wir sollten doch bitte am kommenden Tag vorbeischauen, die restlichen Unterlagen sind gekommen und die Ummeldungen für Strom und Wasser erledigt.

Wir beeilen uns, damit wir den Umzug hinter uns haben und fallen am Abend ziemlich erschöpft zum ersten Mal in unserem neuen Haus in die Betten.
Punkt 10 Uhr, wie verabredet, finden wir uns im Immobilienbüro ein. Eine freundliche Dame bringt uns Kaffee und wir müssen einige Minuten auf den Makler warten. Dann rauscht er herein, wie immer freundlich und etwas hastig.

Er nimmt uns gegenüber Platz.

„Sind Sie schon in Ihr neues Haus eingezogen? Ach, wie schön! Und ist alles zu Ihrer Zufriedenheit? Sehr erfreulich!“

Eigentlich führt er eher ein Selbstgespräch, denn unsere Antworten wartet er gar nicht ab. Mit einem flotten „nun zum Geschäftlichen“ schiebt er uns einen Stapel Dokumente über den Schreibtisch. Schnell zählt er auf: „Die Ummeldung vom Strom, die Ummeldung vom Wasser, die gewünschten Einzugsermächtigungen für die Gemeindegebühren – alles erledigt, wie Sie sehen. Und hier haben wir noch die Notarrechnung, die Grundbuchgebühren, die Rechnung der Grunderwerbssteuer und unsere Rechnung. Ich habe Ihnen der Einfachheit halber alle genannten Gebühren mit auf unserer Rechnung aufgeführt.“

Wir starren auf die Rechnung. Das sind ja fast 50.000 Euro!
„Aber…“, setzt mein Mann an, doch der Makler unterbricht ihn sofort.
„Ich weiß, was Sie sagen wollen. Das ist eine hohe Summe. Seien Sie dankbar, dass wir den Preis für die Immobilie so niedrig gehalten haben. Stellen sie sich vor, Sie hätten den vollen Preis versteuert. Dann wäre diese Rechnung jetzt fast doppelt so hoch!“
Wir sind schockiert. Nicht einmal mit der Hälfte dieses Betrages haben wir gerechnet. Das frisst unsere Rücklagen nun fast ganz auf. Doch was bleibt uns übrig? Wir müssen ja bezahlen.

Die Arbeit im und am neuen Haus nimmt uns ganz in Anspruch, so dass wir den Schock der hohen Rechnung bald überwinden. Es wird langsam heißer. Der Juli ist da und mit ihm kommen die Urlauber. Nach und nach werden die Häuser links und rechts geöffnet. Die Besitzer treffen ein – oder die Mieter, das wissen wir natürlich nicht. Wir sind nun fertig mit Ein- und Umräumen und wollen so richtig anfangen zu genießen. Zwei Tage haben wir fast ununterbrochen Regale angebohrt. Jetzt wird es endlich mal wieder Zeit für ein Bad in unserem Pool.




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Doch was ist das denn? Ich schaue ins Wasser – und kann den schönen Delphin aus blauem Mosaik nicht mehr erkennen. Das Wasser ist grün! Mein Mann schaut genauso überrascht wie ich.
„Oh nein! Müssen wir jetzt das Wasser ablassen?“, frage ich ihn.
„Weiß ich nicht. In dem gemieteten Haus kam ja ab und zu der Poolmann und hat irgendwas gemacht. Komm, wir fahren zum Makler. Irgendjemand muss ja auch diesen Pool gepflegt haben. Wir fragen mal!“

Wie immer werden wir freundlich empfangen.

Poolpfleger? Ja, natürlich, gar kein Problem. Man wird uns sofort jemanden schicken. Doch diesmal sind wir schlauer und fragen nach den Kosten.


Ohne Chemikalien soll der Poolpfleger 1.500 Euro pro Jahr kosten. Nein danke. Das ist uns zuviel. Außerdem wollen wir es selbst tun, Zeit genug haben wir doch. Wir brauchen den Poolmann nur einmal, damit er uns das Becken reinigt und uns die Pflege erklärt.

Nein, damit kann man nicht dienen, wird uns gesagt. Entweder einen Jahresvertrag oder gar nichts.
Wieder im Auto fällt mir ein, dass es an der Verbindungsstrasse von Moraira nach Teulada ein großes Geschäft für Poolartikel gibt. Dort wollen wir einmal nachfragen.


Wieder haben wir Glück. Der Verkäufer spricht ein wenig Deutsch.
„Die Piscina es green?“, fragt er. Wir nickten.
„No problemo, momento!“

Er verschwindet im Lager, um kurz darauf schwer beladen wieder aufzutauchen.
Ein großer Kanister landet mit einem dumpfen Bums auf der Theke. Es folgt ein Sack mit weißen Riesentabletten und ein kleines Plastikgerät, ähnlich einer Miniatur-Panflöte. Etwas umständlich erklärt er dann so ungefähr Folgendes:

Im Kanister befinden sich 10 Liter Chlor. Die sollen wir sofort direkt in das Wasser kippen. Dann die Umwälzpumpe anstellen und laufen lassen. Nach so etwa 2 Tagen das Becken saubermachen.

„Womit denn?“, fragt mein Mann.

Der junge Mann verschwindet wieder zwischen den Regalen und kommt beladen mit einer Bürste, einer langen Stange und einem sehr langen dicken Schlauch zurück.

„Das an Pumpe (er deutete auf das eine Schlauchende) y das en Agua (er zeigte auf die Bürste).“

Aha! Das muss so eine Art Staubsauger sein.

Dann erklärt der Mann: wenn nach rund 2-3 Tagen die Reinigung erledigt ist, sollen wir dieses kleine Plastikflötchen ins Wasser halten bis es voll sei. Einen Moment warten und dann anhand der Farbskala sehen, wie die Beschaffenheit des Wassers ist. Wenn alles im grünen Bereich (er meint wohl eher im blauen) liegt, können wir schwimmen gehen. Und nicht vergessen: putzen, putzen, putzen und immer mal eine von den Chlortabletten in den Skimmer schmeißen.
„Was ist denn ein Skimmer?“, frage ich.
Der Verkäufer erklärt mit Händen und Füßen, dass es sich dabei um das Sieb vom Überlauf handelt. Aha. Das war also auch klar. Wir werden das schon hinkriegen.

Wieder einmal müssen wir Geld ausgeben – doch die Summe ist verschwindend gering, wenn man an die Kosten eines Poolpflegers denkt.
Zu Hause gießen wir als Erstes den gesamten Inhalt des großen Kanisters in den Pool. Das ist ein schrecklicher Gestank. Wir tun genau, was uns der Fachhändler geraten hat. Mein Mann putzt, die Pumpe läuft, die Zeit auch. Nach zwei Tagen nehmen wir die erste Wasserprobe. Am Tag danach sind die Werte immer noch nicht in Ordnung. Doch dann, endlich! Am vierten Tag strahlte der Pool im schönsten Glanz. Die Werte sind gut und wir trauen uns ins Wasser. Es brennt etwas, wenn man es in die Augen bekommt und hinterher duschen wir vorsichtshalber sehr gründlich, aber wir haben den Pool wieder sauber bekommen. So etwas wird mit Sicherheit nicht wieder passieren. Nach ein paar Tagen sind wir stolz auf unser Werk. Jetzt sind wir so richtig angekommen.

Die Poolpflege ist eine Kleinigkeit, die Möbel sind soweit unbedingt notwendig ersetzt, wir haben uns eingelebt. Nun wollen wir gern auch ein wenig die nähere Umgebung – sprich die Gastronomie – ins Auge fassen. Doch heiß und voll ist es überall. Die nächste Anschaffung, das steht für uns fest, sind Klimaanlagen für die Schlafzimmer. Momentan halten wir es gerade so mit fast ständig laufenden Standventilatoren aus. Aber eine Dauerlösung ist das nicht. Doch wir haben Ende August und in diesem Jahr muss es halt noch so gehen.

Nach ein paar abendlichen Ausgehversuchen nehmen wir davon genau so Abstand, wie von den Besuchen am Strand. Das ist nicht unser Ding. Zu voll, zu laut. Und was wollen wir denn auch – wir haben ja alles zu Hause.

Als ich nach einem morgendlichen „Geschäft“ die Toilettenspülung ziehe, will ich wie gewohnt schon den Deckel herunterklappen, als ich glaube, meinen Augen nicht zu trauen. Ich rufe nach meinem Mann, der sich dann mit mir gemeinsam die langsam nach oben steigende braune Brühe anschaut.
“Was ist das denn?“, frage ich ziemlich dumm.

„Erkennst Du es nicht wieder?“, grinst er. Dann aber wird sein Gesicht ernst.
„Was hast Du wieder mal in die Toilette geworfen? So wie das aussieht, muss da ja mindestens ein halbes Huhn quer stecken und das Rohr verstopfen!“
„Ich werfe keine Lebensmittel in die Toilette!“, jetzt bin ich sauer, drehe mich um und rauschte mit dem Satz „Das ist wohl Männersache“ von dannen.
Kurze Zeit später schnappt mein Mann sich unser Wörterbuch und fährt fort. Nach einer halben Stunde kommt er wieder. Er war im Eisenwarenhandel und hat eine Spirale gekauft, um damit das Abflussrohr der Toilette wieder frei zu bekommen. Er macht sich auch sofort an die Arbeit. Ich halte mich da raus und benutzte derweilen sein Bad. Doch was passiert, als ich dort die Spülung betätige? Eine braune Masse kommt mir entgegen. Sie steigt und steigt… und stoppt - dem Himmel sei Dank - gerade ein paar Zentimeter unter dem Rand. Ich schreie nach meinem Mann. Der kommt nicht, weil er mit seiner Spirale in meiner Toilette beschäftigt ist. Ich gehe zu ihm und erzähle, dass nun in seinem Bad der gleiche Zustand herrscht.

Er starrt mich an, wäscht sich die Hände, zieht andere Klamotten an und sagt: „Komm!“ Ich sage lieber gar nichts und folge ihm ins Auto. Es geht zum Makler. Dort fragt mein Mann, ob es eigentlich von unserem Haus irgendwelche Pläne gibt. Nein, die gibt es nicht. Das Haus ist schon ca. 20 Jahre alt und die Unterlagen sind abhanden gekommen. Da fragt er, ob das Haus eigentlich an die Kanalisation angeschlossen ist.

„Kanalisation? Welche Straße war das noch? Ah, Moment, ich schaue nach.“ Die Sekretärin geht zu einem an der Wand hängenden Plan.
„Nein, keine Kanalisation! Aber Sie sind bald dran mit der Erschließung!“
Mein Mann dreht sich auf dem Absatz um und verlässt wütend das Büro.
„Was ist denn?“ frage ich, als ich ihn am Auto endlich eingeholt habe.
„Was ist? Wir haben eine Sickergrube! Verstehst Du? Eine Sickergrube!!! So wie bei und zu Hause vor dem 1. Weltkrieg!“ Boah, ist der sauer.

Ich sage lieber nichts mehr, denn von Sickergruben habe ich ehrlich gesagt nicht unbedingt die Ahnung. Zu Hause zieht mein Mann sich um und fängt an, wild um das Haus zu laufen. Vorsichtig gehe ich ihm nach. Er bleibt am hinteren Hausteil stehen, dort wo sich unsere beiden Bäder befinden. Nun sucht er den Boden ab. Dort ist es zementiert. Er klopft mit einem Metallstab alles ab. Endlich scheint er zufrieden zu sein und holt seine große Bohrmaschine mit dem längsten Bohrer darin, den er hat. Er beginnt Löcher in den Zementboden zu bohren. Langsam dämmert mir, dass er wohl diese „Sickergrube“ sucht. Nach drei Bohrungen ist er mit einem Schlag durch den Zement und kommt fast ins Stolpern, weil kein Widerstand mehr da ist. Er hat – so erklärt er mir – die Grube gefunden. Nun wird die gesamte Umgebung nach einem Zugang abgesucht. Es muss so eine Art von Deckel geben. Doch es gibt nichts. Also stemmt mein Mann ein Loch in den Boden und findet tatsächlich darunter … naja, eben das!

Er bittet mich, noch einmal zum Makler zu fahren, um denen zu sagen, dass sie bitte ganz dringend einen LKW bestellen sollten, der die Grube leer pumpt. Wir haben das große Glück, dass dieser Wagen noch am Nachmittag kommt. Die Männer kennen das Problem wohl schon.


Der Fahrer erklärt uns mit mehr oder weniger guten Deutschkenntnissen, dass diese Häuser damals nicht für den Dauerbetrieb gebaut wurden. Daher die geschlossene „Fosa“ (Klärgrube). Alles versickerte mit der Zeit, da das Haus ja mindestens 6 Monate leer stand. Er erklärt meinem Mann noch, er solle die Fosa ja nicht wieder zumauern, beim Baustoffhandel Llobell, ein paar Kilometer weiter an der Küstenstraße bekommt er einen passenden Rahmen und Deckel. Das solle er einmauern, damit man immer wieder an die Grube herankommt im Fall der Fälle!
Tja, wieder etwas gelernt.

Was sind wir froh, als endlich der September kommt! Die spanischen Betriebe arbeiten wieder, die Strände und Supermärkte werden leerer. Jetzt kann man am Abend auch mal wieder eine Bar oder ein Restaurant aufsuchen und bekommt ohne Probleme einen Platz. In dieser Richtung kennen wir uns noch nicht gut aus. Überhaupt – Bekanntschaften haben wir noch keine geschlossen. Es wird Zeit, den Kopf aus unserem Schneckenhaus zu strecken.

Als fleißige Leser der Costa Blanca Nachrichten haben wir dem Namen nach schon einige Lokalitäten kennen gelernt, die wir jetzt besuchen wollen. Wir gehen davon aus: wer in der CBN wirbt, hat in erster Linie deutschsprachige Kundschaft. Es gibt reichlich Auswahl, auch in der Gegend von Moraira. Da ist das Tropical, das Old Germany, die Bayern Hütt´n um nur einige zu nennen. Nacheinander besuchen wir sie alle und werden bald mehr oder weniger Stammgäste.

Eines Tages kommen wir in der Bayern Hütt´n mit einem Deutschen ins Gespräch. Wir haben ihn bereits mehrmals dort gesehen, man grüßt sich und ist schon fast bekannt. Er fragt, ob wir nun in Spanien bleiben werden. Stolz nicken wir. Er weist auf unser Auto mit den deutschen Kennzeichen und schaut uns sehr ernst an.
„Sie wissen, dass es verboten ist, sich mit deutschen Kennzeichen länger als 6 Monate in Spanien aufzuhalten?“
Wir schauen erstaunt. Nein, das wissen wir nicht. Wir leben doch in Europa! Der freundliche junge Mann klärt uns auf, dass die Polizei das Recht hat, unser Auto zu konfiszieren, wenn es länger als ein halbes Jahr mit ausländischen Kennzeichen in Spanien gefahren wird.
Wir sind schockiert. Er malt uns aus, wie hoch die Strafe und die Auslösekosten für das Fahrzeug sein würden. Das hat uns keiner gesagt. Was nun?

“Wir gehen morgen gleich zu unserem Makler. Der macht doch alle möglichen Abwicklungen. Wir fragen ihn und lassen das Fahrzeug durch ihn nach Spanien einführen“, sagt mein Mann.

„Nein! Auf gar keinen Fall“, sage ich. „Die haben uns genug über den Tisch gezogen. Ich will mit denen nichts mehr zu tun haben!“
Der Deutsche mischt sich ein.

„Dazu brauchen Sie doch keinen Makler, auch keine Gestoria – das ist eine Art von Steuerberater. Das wird doch alles viel zu teuer. Was meinen Sie, was die sich bei so einer Auto-Importation in die eigenen Taschen stecken?“ Er schüttelt angewidert den Kopf.
„Ja, aber wie können wir es denn sonst machen? Wir sprechen kein Spanisch und wüssten überhaupt nicht, an wen wir uns wenden müssten“, meint mein Mann.

„Allein machen können Sie es nicht. Selbst wenn Sie noch so gut Spanisch sprechen. Sie müssten zur Trafico, also dem Straßenverkehrsamt, nach Alicante. Dort geht es rund. Als Privatperson hat man keine Chance, überhaupt an einen Schalter zu gelangen.“
Wir fragen ihn, ob er einen Tipp für uns hat. Ganz zufällig beschäftigt er sich hauptberuflich mit der Einfuhr von Fahrzeugen aus den europäischen Ländern nach Spanien. Der Mann ist also vom „Fach“. Was für ein Glück. Wir kennen ihn ja schließlich durch häufiges Sehen und er scheint auch wohl bekannt in diesem Lokal.

Wir fragen ihn, ob er die Einfuhr für uns übernehmen kann und wie sich das abspielt.
Nun, er braucht von uns die Fahrzeugpapiere, die N.I.E.-Nummer des Halters, eine Passkopie und eine unterschriebene Vollmacht. Dann wird er nach Alicante fahren und innerhalb von 3-4 Tagen haben wir die neuen Papiere mit den neuen Nummernschildern. Unsere Nummernschilder aus Deutschland sollen wir dann anschließend an das zuständige Straßenverkehrsamt in Deutschland zurücksenden, um das Auto dort abzumelden. Ganz einfach.
„Ja, aber, wenn Sie die Originalpapiere des Fahrzeuges brauchen, können wir ja in der ganzen Zeit nicht fahren“, sagt mein Mann.
„Hm, ja. Sie brauchen das Auto. Gut… ich könnte die Sache natürlich auch an einem Rutsch abwickeln, aber dann muss ich praktisch den ganzen Tag in Alicante verbringen. Das kostet etwas mehr!“

„Das wäre wunderbar, wenn Sie das in einem Tag erledigen könnten. Sehen Sie, wir sind auf unser Auto angewiesen. Unsere Urbanisacion liegt zu weit vom Ortskern oder dem nächsten Supermarkt entfernt, um die Wege zu Fuß zu erledigen.“

Wir vereinbaren für den nächsten Tag ein Treffen bei uns zu Hause. Wieder werden wir ein Stück mehr ansässig – mit spanischen Kennzeichen an unserem neuen Auto!

Karl, so heißt der hilfsbereite Deutsche, kommt pünktlich zum vereinbarten Termin. Naja, es war halt gut, Geschäfte mit Landsleuten zu machen, denken wir uns. Wir übergeben ihm die Papiere und unterschreiben die von ihm mitgebrachte Vollmacht in spanischer Sprache. Die Autoschlüssel braucht er ja nicht, denn das Fahrzeug muss nach seinen Aussagen nicht vorgeführt werden. Natürlich, es ist ja auch neu. Das leuchtet uns ein.

Er rechnet vor, was er an Auslagen und Gebühren benötigt.
Die Fahrt nach Alicante und zurück, der Aufenthalt dort für mindestens 6 Stunden, die Einfuhrgebühren, die Steuer, die neuen Nummernschilder und, und, und. Es ist wieder einmal ein herber Aderlass. Aber was bleibt uns übrig? Wir wollen unser Auto nicht verlieren!

Der Mann verlässt uns mit unseren Autopapieren und einem Batzen Geld.

Als uns nach zwei Tagen so langsam dämmert, dass wir mal wieder Lehrgeld gezahlt haben fahren wir – ohne Papiere – zu einem richtigen Steuerberater. Ihm klagen wir unser Leid. Er besorgt die Importation, die neuen Dokumente mit allem Drum und Dran.

Leider ist er noch etwas teurer als Karl, aber wir bekommen dafür auch die Ummeldung und neue Papiere.

Später erfahren wir von Peter, dem Wirt der Bayern Hütt´n, dass Karl nicht nur mit unserem, sondern auch mit dem Geld von etlichen anderen Dummen zurückgegangen ist nach Deutschland. Es muss sich für ihn gelohnt haben. Wann werden wir anfangen zu lernen?

Es ist Ende Oktober geworden. Ein wunderschöner Monat, wie wir finden, denn die Touristen sind fort und Moraira gehört uns. Wir genießen die milden Tage, das Baden im Meer und sind rundherum glücklich. Einmal in der Woche fahren wir zum Postamt im Dorf, in dem wir uns ein Postfach gemietet haben. Direkte Postzustellung gibt es nicht. Auch gewöhnungsbedürftig, genau wie die Tatsache, dass die Müllabfuhr nicht ans Haus kommt. Man muss seinen Unrat immer zum nächstgelegenen Container bringen. Doch das ist alles kein Problem und wir haben uns schnell umgestellt.

Wir finden nie viel Post in unserem „Apartado de Correos“ – die Strom- die Telefon- und die Wasserrechnung. Vielleicht mal ein Brief von daheim. Doch heute liegt noch ein offiziell aussehendes Schreiben darin. Wir öffnen es neugierig und finden einen langen Brief vor in spanischer Sprache.
„Diese Abhängigkeit von anderen Leuten geht mir doch auf die Nerven“, sage ich zu meinem Mann. „Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir uns zu einem Spanischkurs anmelden. Vielleicht lernen wir dabei ja auch ein paar nette Leute kennen.“

Mein Mann brummelt irgend etwas und starrt weiterhin auf das Schreiben.
„Das ist vom Finanzamt. Schau mal hier –Agencia Tributaria-. Das habe ich schon einmal gehört.”

Wir schauen uns an. Wenn dieser Brief vom Finanzamt kommt müssen wir unbedingt wissen, was drinnen steht. Doch wohin? Wir können ja schlecht mit diesem Brief in Peters Kneipe und dort jemanden fragen. Also Makler oder in der Zeitung nach einem Übersetzer suchen. Wir entscheiden uns für den Übersetzer. Ich rufe bei drei verschiedenen Telefonnummern an, bis ich eine Dame finde, die bereit ist uns den Brief auch mündlich zu übersetzen. Wir machen einen Termin für den kommenden Tag bei ihr zu Hause ab.






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Was wir dann erfahren, erschüttert uns bis in die Grundmauern. Der Brief ist vom Finanzamt. Es ist eine Aufforderung, die Differenz der zu niedrig protokollierten Immobilie zum tatsächlichen Wert nachzuzahlen zuzüglich einer Strafe. Die Summen und die Kontoverbindung des Finanzamtes sind angegeben, sowie eine Frist für den Einspruch von 15 Tagen.
Mit dem letzten Rest unserer Fassung bezahlen wir die Übersetzerin, bedanken uns und gehen schweigend zu unserem Auto.

„Das gibt es doch nicht! Den Makler zeige ich an!“ Mein Mann kocht vor Wut. Ich hocke neben ihm und lasse meinen Tränen freien Lauf. Schon wieder eine Summe, die nicht einkalkuliert ist, mit der wir nicht gerechnet haben. Mein Mann nimmt mich in den Arm.

„Pass auf, ich setze Dich jetzt zu Hause ab. Mach Dir einen Kaffee oder trinke einen Brandy oder beides. Ich fahre mit diesem Schreiben zu dem Verbrecher von einem Makler. Diese Zeche zahlen wir nicht allein!“
Ich will widersprechen, doch mein Mann meint, in meinem Zustand ist es besser, wenn ich zu Hause bleibe.

Es dauert lange, bis er endlich kommt. Ich sehe gleich, wie verärgert er immer noch ist. Das Gespräch scheint nicht so gut gelaufen zu sein. Ich frage nicht, sondern bringe auch ihm erst einmal einen Veterano.
Er nimmt einen kräftigen Schluck, stellt das Glas auf den Tisch und fährt sich mit beiden Händen durch sein volles, silbergraues Haar.
„Sie meinen, es sei sehr selten, dass das Finanzamt Stichproben macht. Uns hat es eben getroffen. Sie können da auch nichts tun.“
„Hast Du denen mit einer Anzeige gedroht?“, frage ich.

„Ach, vergiss es. Der Typ ist so aalglatt. Als ich das Wort Anzeige nur erwähnte, lachte der mich doch glatt aus. Er fragte mich, ob er oder wir das Protokoll beim Notar unterschrieben hätten. Der ist fein raus und der Verkäufer ist lange wieder irgendwo in Deutschland. Nee, das bleibt mal wieder an uns hängen. Weißt Du, manchmal habe ich das Gefühl, wir treten aber auch in jede nur mögliche Falle!“

Es hilft alles nichts. Auch nicht die Tatsache, dass alle anderen Käufer und Verkäufer es doch genau so machen. Wir müssen zahlen. Wieder einmal Lehrgeld! Nur dadurch, dass eine unserer Lebensversicherungen gerade zur Auszahlung kommt, wird uns finanziell nicht die Luft abgedreht.

Es wird endlich ruhiger um uns. Von den finanziellen Schlägen haben wir uns inzwischen erholt. Wir wollen gerade die Poolumrandung abschrubben, als mein Mann unglücklich ausgleitet und mit seinem linken Arm auf die harte Ecke der Umrandung fällt. Sofort bin ich an seiner Seite und helfe ihm ganz vorsichtig aufzusehen. Er verzieht das Gesicht vor Schmerzen.
„Wir müssen schnell zu einem Arzt“, sage ich. „An der Straße nach Benitachell gibt es doch diese Clinica Asistel, die sprechen Deutsch!“

Ich helfe meinem Mann ins Auto, schnappe mir meine Handtasche und setze mich hinter das Lenkrad. Sehr vorsichtig umfahre ich jedes Schlagloch, um meinem Mann nicht noch zusätzliche Schmerzen zu bereiten. Endlich sind wir dort. Ich fahre einfach direkt vor den Eingang, der ja wohl eigentlich den Krankenwagen vorbehalten ist. Ich laufe hinein und sage der Dame an der Rezeption, was geschehen ist. Ein sofort gerufener Arzt geht mit mir hinaus und hilft meinem Mann aus dem Auto. Er wird sofort in den Röntgenraum gebracht. Inzwischen fahre ich das Auto von der Rampe und parke es ein.

Die Aufnahme ergibt, dass der Unterarm gebrochen ist. Da hilf nichts, mein Mann muss ins Krankenhaus zum Richten des Bruches. Der Arm kommt in eine Schlinge und ein Krankenwagen wird gerufen. Inzwischen bittet man mich wieder an die Rezeption, um die Daten aufzunehmen. Ich lege den Auslandskrankenschein vor, den ich immer in meiner Handtasche bei mir führe.








Die Dame schaut auf den Schein, dann auf mich. Sie ruft den Arzt herbei und bespricht sehr schnell etwas mit ihm in Spanisch. Dann sagt sie zu mir:
„Das ist ein Auslandskrankenschein. Der ist schon lange abgelaufen. Leben Sie jetzt hier in Spanien?“ Ich nicke.
„Sind die also resident?“ 
„Wie meinen sie das?"

Sie sprach noch einmal mit dem Arzt, setzte sich an Ihrem PC, druckte einen Moment später eine Rechnung über 150 Euro für mich aus. Die solle ich bezahlen und sie anschließend meiner Krankenkasse in Deutschland präsentieren. Dann mahnt sie mich, mir dringend eine Resicendia zuzulegen. Ich fuhr mit meinem Auto hinter dem Krankenwagen Richtung Denia her.

Mein Mann wurde ich Denia hervorragend behandelt. Wir wurden merkwürdigerweise nicht nach einer Krankenversicherung gefragt. Dafür forderte uns die deutschsprachige Krankenschwester auf, in ein paar Tagen zu unserem Centro Salud in Moraira zur Weiterbehandlung zu gehen. Eine Woche später wurden wir dort vorstellig.

An der Rezeption: "Haben Sie sich bei der Sozialversicherung in Denia angemeldet?“
„N-nein… warum?“

Ein Mädchen aus der Warteschlange übersetzt. Wir werden gebeten, kurz Platz zu nehmen. Man wird uns aufrufen.

Wir bedanken uns bei dem Mädchen und setzen uns auf die kahlen Wartesitze. Nach relativ kurzer Zeit geht die Tür eines Behandlungszimmers auf und eine Frau ruft uns auf. Wir betreten den Raum und sind unendlich erleichtert, von der Ärztin in Deutsch angesprochen zu werden. Sie nimmt den Bericht aus Denia entgegen und rät uns, umgehend zu einer Gestoria zu gehen, um eine Residencia zu erlangen, um damit wiederum bei der Sozialversicherung in Denia eingetragen zu werden. Dann bekommen wir jeder eine so genannte SIP Karte, auf der unsere Daten gespeichert sind. Mit dieser Karte können wir in ganz Spanien in jedes Krankenhaus der Sozialversicherung und in jedes Centro Salud. Zuständig sei jedoch dieses, solange wir hier ansässig und nicht auf Reisen sind.

Sie versorgt meinen Mann mit den notwendigen Medikamenten und sagt, er solle in 4 Wochen wieder vorbeischauen. Dann hat er mit Sicherheit auch alle Papiere.

Zu Hause suche ich in der Zeitung nach einem deutschsprachigen Steuerberater. Es gibt einige in der Nähe. Ich rufe drei dieser Büros an und frage, ob sie meinem Mann und mir die Residencia und die SIP-Karte von der Sozialversicherung besorgen können. Das klingt richtig fachmännisch, finde ich, denn ich kenne ja nun die einzelnen Ausdrücke. Ich will auf keinen Fall den Eindruck einer unwissenden Ausländerin hinterlassen. Wenn mir ein Büro die Zusage gibt, beide Unterlagen für uns besorgen zu können, frage ich auch sofort nach dem Preis. Ich habe keine Lust mehr, unsere Zeit und unser Geld zu vergeuden.

Zwei Steuerberater kommen in Frage. Ich fahre am nächsten Tag allein los. Mein Mann hat zwar den Arm und nicht das Bein gebrochen, doch er muss sich schonen. Ich will ihm zeigen, dass ich die Sache auch allein hin bekomme.

Ich lege unsere Probleme dar, die in den Augen dieser „Gestoria“ gar keine waren. 
Es gibt zwei Dinge zu tun: nach Denia zur Ausländerpolizei – die kennen wir ja schon – um dort das „Certificado de Registro de Ciudadano de la Union“ also den Eintrag ins Ausländerregister vornehmen zu lassen und nochmals nach Denia, um uns bei der „Seguridad Social“, der Sozialversicherung zu registrieren. Da wir uns zwar bei der Ausländerpolizei auskennen, aber uns nicht zutrauen, allein zur Sozialversicherung zu gehen, schlägt man uns vor, den Eintrag ins Ausländerregister ohne Hilfe zu machen. Dieses Dokument und noch einige andere sollen wir dann wieder zur Gestoria bringen, die für uns zur Sozialversicherung fahren wird. Wir brauchten nicht mit. Das ist angenehm, da ich nicht gern will, dass mein Mann so viel in der Gegend herumlaufen muss.



Ich fühle mich gut aufgehoben in dem Büro, die Preise scheinen mir angemessen, also übertrage ich denen unsere Angelegenheiten. Die Dame beginnt sofort, die Anträge für die Ausländerpolizei für uns am Computer auszufüllen. Ich habe den Pass meines Mannes dabei, so verläuft alles reibungslos. Sie macht Passkopien und fragt, wann wir nach Denia fahren wollen. Gleich am nächsten Tag, gebe ich zur Antwort. Ich habe ihr erklärt, dass mein Mann sich den Arm gebrochen hat und daher nicht so lange irgendwo warten kann. Daraufhin greift sie in eine Schublade und holt zwei blaue Formulare heraus.
„Das sind die bereits gezahlten Gebühren für den Eintrag ins Ausländerregister. Normalerweise bekommen Sie die Zahlscheine bei der Ausländerpolizei und müssen dann zur nächstgelegenen Bank laufen, sich dort in eine lange Reihe stellen, bezahlen und wieder zurück zur Polizei. Wir haben ab und zu mal ein paar bereits bezahlte Anträge hier liegen. Ich gebe Ihnen diese beiden, damit ihr Mann nicht noch zusätzlich warten muss.“
Ich bin begeistert. Haben wir zu guter Letzt doch noch einen hilfreichen Geist gefunden?

Am nächsten Tag verläuft der Besuch in Denia für meinen Mann zwar nicht schmerz- aber dafür relativ problemlos. Anschließend fahre ich gleich in der Gestoria vorbei und gebe unsere Unterlagen ab.

„Um die Sache nicht unnötig zu verteuern, fahren wir nur einmal in der Woche zur Sozialversicherung. Dann haben wir gleich mehrere Fälle zu erledigen. Ich rufe Sie an, sobald ich ihre Unterlagen habe!“ lächelt die Dame mich an.

Es dauert etwas mehr als eine Woche. Ich bekomme den erwarteten Anruf und fahre nach Denia zur Gestoria. Mir werden unsere Registrierungen im Ausländeramt zurückgegeben und die Eintragung bei der Sozial-Versicherung. Damit soll ich zum Centro Salud. Die werden uns einen Hausarzt zuweisen und nach kurzer Zeit bekommen wir dann die endgültigen SIP-Karten – ebenfalls vom Centro Salud.
Ich bin sehr glücklich. Die Anmeldung bei Centro Salud mache ich am nächsten Tag wieder allein. Mein Mann hat ja erst einen Termin in rund zwei Wochen. Die Anmeldung geht ebenfalls reibungslos über die Bühne, denn ich werde nichts gefragt und ich muss nichts antworten.
Der Arm heilt wieder. Doch so ganz langsam dämmert es mir, dass wir bei all dem bezahlten Lehrgeld bisher ein unglaubliches Glück gehabt haben. Man stelle sich nur einmal vor, die Ärztin im Centro Salut könnte kein Deutsch! Und was soll werden, wenn einer von uns einmal ernsthaft krank wird und ins Krankhaus nach Denia muss? Dort spricht niemand Deutsch.

Ich spreche mit meinem Mann nicht über meine langsam aufsteigenden Ängste. Wir wollen uns damit bis zum kommenden Jahr Zeit lassen.

Es ist inzwischen Dezember geworden und es beginnt, empfindlich kalt zu werden.
„Ich hätte nie gedacht, dass das hier so kalt wird!“ stelle ich fest.

„Ach, Ihr Frauen friert ganz einfach immer so schnell. Zieh Dir einen Pullover mehr an. Du wirst sehen, kälter wird es draußen nicht. Und wenn die Sonne scheint, haben wir es doch kuschelig warm auf unserer verglasten Terrasse!“

Das stimmt schon – wenn die Sonne scheint.

Wir besorgen uns Holz für den Kamin. Er hat eine verschließbare Kassette, worüber ich sehr froh bin, denn mit dem Feuer habe ich es nicht so. Doch der Kamin bringt es bald nicht mehr. Abends ist die Bettwäsche klamm und sich in den Badezimmern aufzuhalten, ist kein Vergnügen mehr.

Was die Nachbarn gegen diese feuchte Kälte machen, werden wir nie erfahren, denn die Häuser um uns herum sind verschlossen. Die Besitzer fahren bereits im Oktober/November in die Heimat zurück und werden auch nicht vor Ostern wiederkehren.

„Lass uns doch mal in diese Eisenwarenhandlung da unten auf dem Weg nach Calpe fahren. "Pedros" heißt der Laden wohl. Dort fragen wir mal nach Lösungsmöglichkeiten. Du weißt doch, der eine Verkäufer spricht etwas Deutsch,“ schlage ich vor.

Gesagt, getan. Es gibt sehr unterschiedliche Lösungen für unser Problem. Elektroöfen, die aber viel Strom fressen – und der ist teuer hier in Spanien, das haben wir schon gemerkt. Gasöfen, die fahrbar sind und im Inneren eine Gasflasche haben. Dann gibt es große, wunderschöne Marmorplatten für die Wand, die Wärme abgeben. Die arbeiten allerdings wieder mit Strom.

Wir einigen uns auf die zunächst einmal günstigste und schnellste Möglichkeit: die fahrbaren Gasöfen. Zwei Stück kaufen wir und bekommen einen Gasvertrag über vier Flaschen – je eine zum Wechseln. Pedros selbst hatte hinten auf dem Hof eine Gastauschstation. Dafür ist also auch gesorgt.

Nach einer kleinen Einführung in die Bedienung dieser Rollöfen wird uns alles ins Auto gebracht: 2 Öfen und vier Gasflaschen. Die Öfen sind komplett einsatzbereit und werden von uns zu Hause auch gleich in Betrieb genommen. Einer kommt ins Schlafzimmer, der andere zwischen Küche und Wohnzimmer. Für die Bäder haben wir uns zwei kleine Spiralheizungen gekauft, die mein Mann jeweils über den Türen anbringt. Die laufen natürlich über Strom, sollen ja aber auch nur im Bedarfsfall eingeschaltet werden.

Es wird endlich warm und die Bettwäsche ist nicht länger feucht.
So bringen wir den Winter hinter uns, unser erstes Weihnachtsfest in Spanien, das Feuerwerk zum Jahreswechsel und die Umzüge mit Kamelen und den Heiligen Drei Königen am 6. Januar. Ein neues Jahr hat begonnen. Unser gemeinsamer guter Vorsatz: wir wollen nun doch Spanisch lernen.

Der März kommt und es wird langsam etwas wärmer. Zwei Dinge stehen nach diesem Winter fest: wir brauchen eine richtige Heizung und für den Sommer zumindest in den Schlafzimmern eine Klimaanlage. Wir beginnen uns gründlich zu informieren – im Internet und auch in einigen großen Geschäften im Industriezentrum von Benissa. Bald steht fest: das wird eine teure Angelegenheit.
Im April wird es Zeit, unsere Sommergarderobe aus den eingebauten Wandschränken zu holen. Sie soll ein wenig lüften und muss auch sicher nach dem langen Liegen gebügelt werden. Ich öffne einen der Schränke und bekomme einen riesigen Schrecken. Die ganze Wand, die gleichzeitig Außenwand des Hauses ist, sieht nicht mehr weiß und frisch gestrichen aus – sie ist total schwarz angelaufen.

Ich rufe meinen Mann und öffne gleichzeitig den Schrank an der gegenüberliegenden Zimmerseite, der ebenfalls direkt an der Außenwand liegt. Es bietet sich das gleich Bild: schwarz. Mein Mann steht inzwischen hinter mir und schaut mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Schränke. Ich nehme die ersten Wäschestücke heraus, die direkten Wandkontakt haben. Es ist unglaublich, denn sie sind feucht und mit dunklen Flecken versehen.

„Was ist denn das?“, frage ich meinen Mann.
„Schimmel!“, brummt er.





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Er geht ins Wohnzimmer.
„Das Haus war mit Sicherheit vorher schon feucht“, flucht er, als ich mich neben ihn setze. „Die haben alles schön weiß überstrichen, damit es nicht zu sehen ist. Und dann haben die gewartet, bis da so ein beklopptes, deutsches Pärchen kommt und einen horrenden Preis für eine unbeheizte, unklimatisierte und nun auch noch feuchte Hütte zahlt. Ich könnte mich vor Wut sonst wohin beißen!“

Ich sage lieber nichts. Mein Mann nimmt sich das Telefon und beginnt zu wählen. Als er anfängt zu sprechen weiß ich, dass er einen Freund aus Deutschland am Hörer hat. Er schildert ihm unser Problem und hört dann lange schweigend zu. Ich gehe hinaus, um zu sehen, was von unseren Sommersachen noch zu retten ist. Mein Mann ruft mich zurück ins Wohnzimmer.
„Ich habe Ulf gebeten, für ein paar Tage runter zu kommen. Es ist klar, dass wir den Flug und die Unterkunft für ihn bezahlen müssen. Aber wenn ich hier jemanden nehme, muss der Deutsch sprechen – und da können wir sicher sein, dass wir wieder über den Tisch gezogen werden. Ich brauche einen neutralen Mann mit Sachverstand, der mir wirklich sagt, was getan werden kann!“

Ulf ist selbständiger Bauunternehmer und kann sich während der momentanen Flaute schnell ein paar Tage frei machen. So dauert es nicht lange und wir holen ihn vom Flughafen aus Alicante ab. Einquartiert ist er im Gema Hotel, nicht weit entfernt von unserem Haus.

Ulf und mein Mann untersuchen und graben, graben und untersuchen. Einmal um das ganze Haus, dann wird das Dach in Augenschein genommen. Nachdem sie Stunden auf den Beinen waren, hocken sie sich zusammen und beratschlagen. Ich versorge sie mit Kaffee und später mit einem Bier und hoffe inständig, dass sich keine Gewitterwolken über unserem neuen Heim zusammenbrauen.

Endlich scheint die Besprechung beendet. Ich setze mich zu den Männern und schaue sie fragend an.

Ulf beginnt zu erklären:

„Das Haus ist von außen nicht isoliert – es ist überhaupt nicht isoliert. Die Feuchtigkeit steigt von unten durch den Fußboden auf. Wenn Du einmal genau in die Fugen der Fliesen schaust, kannst Du so ein weißes, flusiges Zeug sehen. Das ist Salpeter, der sich durch die Feuchtigkeit bildet. Dann schau mal genau über der Scheuerleiste, wie sich der Putz von den Wänden löst. Die Schränke hast du ja selbst gesehen.
Um dieses Haus herzurichten, braucht ihr viel Geld!
Die einzige Lösung ist eine Fußbodenheizung und das Haus rund herum so tief ausgraben, dass man es dann mit so einer Art Aluminium-Teer-Folie abdichten kann. Das Dach ist nicht isoliert, die Wände ebenso wenig. Die spanischen Häuser wurden damals so einfach gebaut. Sie wurden nur für Sommerurlaube genutzt und die Bauweise war halt günstig.
Mein Rat: richtet es wieder genauso her, wie ihr es übernommen habt – also alles schön weiß streichen – und verkauft den Kasten. Es ist sonst ein Fass ohne Boden.“

Ulf verlässt uns wenige Tage später.

„Bitte was sollen wir jetzt tun?“ Mein Mann will mir die Entscheidung überlassen? Ich schaue ihn an.

„Ich weiß nur, wozu ich keine Lust habe“, antworte ich. „Ich will nicht auch noch die zweite Lebensversicherung auflösen und dann ganz ohne Reserven dastehen. Mir sind in den letzten Wochen noch ganz andere Gedanken durch den Kopf gegangen. Was wäre, hättest Du Dir nicht nur den Arm gebrochen? Wenn Du zum Beispiel für längere Zeit ins Krankenhaus müsstest?“

Wir schauen einander an. Uns ist klar, dass wir niemals so schnell so viel Spanisch lernen können, wie nötig ist ,um sich im Krankenhaus mit Ärzten und Schwestern verständigen zu können.

Und was, wenn einer von uns allein zurückbliebe? Wir haben hier keine Bekannten, von Freunden einmal ganz abgesehen.

„Was würdest Du tun, wenn ich sterbe?“, fragt mein Mann.
„Ich würde sofort nach Deutschland zurückgehen. Und Du?“
„Ich auch“, seufze ich.

Wir beschließen, eine Weile darüber nachzudenken, was wir weiterhin tun wollen.
Am kommenden Tag klingelt es am Tor. Ich gehe hinunter und sehe zwei Männer in Overalls dort stehen. Sie wollen irgendetwas, doch ich verstehe sie nicht. Mein Mann kommt hinzu. Er versteht zumindest soviel, dass diese Männer vorgeben von einer Gasfirma zu kommen und sie wollen ins Haus.
Energisch schüttelt er den Kopf und sagt „No! No gas!“

Die Männer wollten nicht aufgeben, doch wir drehen uns um und gehen ins Haus.

„Das waren bestimmt solche Betrüger, wie sie in der Zeitung beschrieben wurden. Die kommen mir nicht ins Haus.“

„Ich halt das nicht mehr aus“, schluchze ich. „Nichts kann man verstehen, sich mit niemandem unterhalten. Hier gibt es kein Kino, kein Theater – jedenfalls nicht für uns.“

Mein Mann nimmt mich ganz fest in den Arm. So stehen wir eine Weile, dann schauen wir uns an und sagen fast wie aus einem Mund:
„Lass uns wieder nach Hause gehen!“

Wir nehmen die Anregung von Ulf auf. Das Haus wird „geschminkt“. Da wir ein paar schöne Möbelstücke angeschafft haben, wird es auch dadurch aufgewertet.

Wir sprechen mit einem Makler, denn wir selbst wollen nichts mit diesen „Machenschaften“ zu tun haben.

Wir sind schon fast ein Jahr wieder daheim in Deutschland, als das Haus endlich verkauft wird.  


Ja, es tut weh. Aber mit dem Geld können wir viele schöne Reisen unternehmen. Und uns ist eines ganz klar: WIR haben versagt und können sonst niemandem die Schuld geben. Wir sind blauäugig in ein anderes Land gezogen – ohne die Sprache, die Gesetzte, ja ohne die einfachsten Vorschriften zu kennen. Aber wir haben zumindest einmal im Leben versucht in einem anderen Land Fuß zu fassen. Wir sind zwar gescheitert, doch mit einem blauen Auge davongekommen.

 © Lilac Namez, Spanien 2008

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