Seiten

Mittwoch, 30. September 2015

Spaß im spanischen Krankenhaus

Wer auf Dauer in Spanien lebt und das Glück hat älter und älter zu werden, kommt mit ziemlicher Sicherheit an einem Krankenhausaufenthalt nicht vorbei.
Auch wenn ich jetzt darüber meine Erfahrungen niederschreibe, bitte ich immer zu berücksichtigen, dass sich die Zustände von Region zu Region und von Krankenhaus zu Krankenhaus gewaltig unterscheiden können. Vorweg noch eines: die medizinische Betreuung war wirklich einwandfrei!
Meine speziellen Erfahrungen betreffen das alte Krankenhaus „La Fe“ in Valencia. Der Neubau war noch nicht fertig – die Crisis lässt grüßen.
Hier in Spanien geht alles ganz schnell – wenn es denn mal geht! So erhielt ich nach einer Wartezeit von nur einem Monat einen Anruf, mich in 4 Tagen morgens um 9 Uhr im „La Fe“ einzufinden. Valencia liegt von meinem Wohnort immerhin rund 100 km entfernt. Spanienerfahren wie wir nun mal sind, bat ich meinen Willi vor dem Krankenhaus zu warten. Ich wollte sicher sein, dass ich auch wirklich an diesem Tag dort aufgenommen wurde. Ich fragte also bei der zuständigen Stelle.

„Ja, Du wirst heute aufgenommen“, bekam ich zur Antwort. Auf meine Frage, ob ich ab sofort im Krankenhaus bleiben müsse, kam ebenfalls ein klares „Ja“. Also eine kurze SMS an meinen Willi und der fuhr wieder heim.
Nach einer letzten Blutuntersuchung wurde mir mein Zimmer gezeigt. Ich muss dazu bemerken, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt immer nur in Privat-Krankenhäusern war. Also 5-Sterne-Luxus-Einzelzimmer, Traumbad, Speisekarte zur Auswahl… Und nun wurde ich in ein winziges Kämmerchen geschoben, das mit den zwei darin stehenden Betten und den beiden winzigen Schränkchen total überladen war. Oh ja, es gab auch ein Bad – besser gesagt: eine Toilette. Zum Duschen bitte über den Gang!

Nein, ich bin kein Luxusweib, aber der Unterschied war halt etwas krass. Kaum in diesem Kämmerchen angekommen, meinte die nette Schwester: „So, Du kannst jetzt machen was Du möchtest. Aber seit bitte spätestens um 20 h wieder hier. Mittagessen geht, aber dann nichts mehr. Morgen ist die Operation."

Na, ich war stocksauer. Mein Willi befand sich lange wieder auf der Autobahn. Was blieb mir übrig: ich erkundete ein Stückchen Valencia, tafelte fürstlich (wer weiß, wann ich das nächste Mal etwas zu Essen bekommen würde?) und fand mich am späten Nachmittag wieder in meinem Zimmerchen ein. Eine Schwester rückte an, drückte mir einen himmelblauen Pyjama (mit Hosenstall) in die Hand und schickte mich zum Duschen. Irgendwie fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Wie froh war ich, wenigstens das Zimmer für mich allein zu haben. Die Nacht kam, ich ging ins Bett und suchte nach der Fernbedienung zur Einstellung des Kopf- und Fußteils. Nicht zu finden. Ich fragte die Schwester (übrigens ist mir noch niemals in meiner reichen Krankenhauserfahrung so ein liebenswürdiges, hilfsbereites Personal begegnet, wie bei der Sozialversicherung). Sie fragte, ob ich den Kopf höher haben wollte und fing auf mein Nicken an, wild zu kurbeln. Ich staunte nicht schlecht. 


Wie bei einem Oldtimer konnte man das Bett nur über eine Kurbel bedienen und zwar für den Patienten unerreichbar von außen am Fußende. Ich fragte, was ich nach der Operation machen sollte, wenn ich die Einstellung verändert haben möchte. Ich könne dann sicher nicht fröhlich aus dem Bett hupfen. Sie Schwester lächelte, drückte mir die Rufklingel in die Hand und sagte: „Einfach drücken. Ich bin sofort da!“
Die Nacht verging, die Operation auch. Nach zwei Tagen Intensivstation wurde ich wieder in mein Zimmer gebracht – doch welch ein Schock - ich war nicht mehr allein. Eine alte Dame lag im Nachbarbett. Davor auf einem Sesselchen hockte ihr Gatte. Mir war das in dem Moment ziemlich egal, ich war noch voller Medikamente und hatte einen Dröhnkopf. Es war ruhig im Zimmer, ich schlief ein. Doch dann wurde ich aus meinem Erholungsschlaf gerissen. Die spanische Familie war eingetroffen. Drei erwachsene Kinder nebst Ehepartner und den lieben Enkelchen. Himmel! Es war laut wie bei einem Fußballspiel in der Südkurve. – Sagen mochte ich nichts. Erstens bin ich Ausländerin und zweitens waren die ja in der Überzahl. – Endlich, nachdem sie mehrmals von der Schwester aufgefordert wurden, trollte sich die liebe Familie. Ich hatte die Augen geschlossen und bemerkte nicht, dass einer zurückblieb: der Ehemann. Nur durch eigenartige Knittergeräusche wurde ich aufmerksam und sah mit Erstaunen, dass der kleine Mann sich eine Matte vor das Bett seiner Frau legte, um sich darauf zum Schlafen nieder zu lassen. Ich war platt. Wie sollte das denn gehen? Es konnte ja nicht einmal mehr eine Schwester das Zimmerchen betreten, wenn ich sie brauchte. Und – befestigt am Tropf und auch sonst total daneben – ich konnte nicht aufs Örtchen. Peinlichkeit kroch in mir hoch, als ich dann dringend die Schwesternklingel betätigen musste. Nun lief ab, was sich in den kommenden Tagen und Nächten sehr häufig wiederholen sollte:
Tür öffnete sich einen Spalt, das Männchen stand von der Matte auf, rollte sie zur Seite, verließ den Raum. Die Schwester schwang die Bettpfanne, verließ den Raum, das Männchen kam zurück, rollte die Matte wieder aus und legte sich drauf.

War das schon schlimm, so wurden meine Nerven jeden Abend einem neuen Härtetest unterworfen, wenn die Verwandtschaft anrückte. Doch man muss auch die positiven Seiten sehen: zwischen den Betten oben an der Wand befand sich ein Flachbildschirm-TV. Der Leser wird sich nun fragen, was das Positive daran sein soll, wo eh schon täglich ein Unterhaltungs-Live-Programm im Zimmer ablief. Ganz einfach: das Positive daran war – der Fernseher war kaputt! Ich mag mir nicht ausmalen, in welche Anstalt man mich gebracht hätte, wäre dieses Gerät auch noch den ganzen Tag am Dröhnen gewesen.


Ich war unendlich glücklich, nach einer Woche diesem Irrenhaus entkommen zu können.
Doch eine Frage brennt mir immer noch auf den Nägeln: Was hätten die eigentlich gemacht, wenn mein Willi auch bei mir geblieben wäre?

Lilac Namez, Spanien 2008


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen