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Mittwoch, 30. September 2015

WILLI IST ONLINE!

Mein Willi ist ja nun man über 60. Macht ja nix, ist ja gut drauf!

Mein Willi ist technisch hochbegabt! Er baut sein Auto auseinander und wieder zusammen, ohne Teile übrig zu behalten. Er kann mauern, schreinern, malen – ja sogar kochen. Willi ist ein All-Round-Genie. Nur mit meinem Computer – mit dem hat es Willi nicht so.

Ich sitze halt gern und lang vor dem Bildschirm, schreibe, spiele und schau mich in der Welt um. Da geht schon mal die Mitternacht vorüber und ich hocke immer noch vor meiner Kiste.



Und das macht den Willi ganz fuchtig. Er schimpft, ich soll früher ins Bett gehen – er selbst liegt ja schließlich auch schon um 22 h in den Kissen – und hält außerdem noch seinen Mittagsschlaf. Gut, dafür ist er morgens um 6 Uhr munter und unternehmungslustig, wenn ich mich gerade zum zweiten Male umdrehe.
Willi fand das gar nicht gut.

Doch dann kam sein Sohn zu Besuch nach Spanien und brachte meinem Willi ein Laptop mit. Der Sohn flog wieder ab und Willi blieb fluchend zurück.
„Was soll ich mit dem Mist! Das Ding wird verkauft. Basta!“



Es ist schon ein wenig betagt, das Notebook. Man kann nicht schnurlos online gehen. Und Willi wollte auch gar nicht.

Ich rief bei der Telefonica an und bestellte einen neuen Router. Bisher hatte ich ein Mono Puerto – halt nur für meinen PC. Nun musste eine Möglichkeit geschaffen werden, auch den Willi online zu bringen. Davon durfte er natürlich nichts wissen.

Knapp eine Woche nach meinem Anruf kam der neue Router – kostenlos und per Kurier – von der Telefonica ins Haus.

Willi hielt gerade sein Mittagsschläfchen, als ich sein Laptop zusammen mit meinem PC mit dem neuen Wunderkästchen verkabelte. Ich fuhr das Notebook hoch und prüfte, ob man nun damit problemlos ins Internet kam. Ja! Willi konnte kommen.

Wenn Willi sein Schläfchen gehalten hat, braucht er erst mal immer ein Tässchen Kaffee. Diesmal bereitete ich es ihm zu und stellte es neben das schon wartende Gerät.

Ich setzte mich dazu und plauderte so ganz in Ruhe über das Internet im Allgemeinen und sein Laptop im Besonderen. Er solle doch mal die eine oder andere Taste drücken…

Willi brummelte, aber er drückte – und landete direkt bei Google maps (wie ich es vorher eingestellt hatte). Es dauerte nicht lang und er fand unser Häuschen hier in Spanien. Nun wurde er tolldreist und ging auf die Reise: sein Geburtshaus, all die Orte an denen er schon einmal war. Willi reiste bis in den Orient.



Ich ließ ihn allein.

Es wurde spät an diesem Abend – ach was sag ich: in dieser Nacht. Willi trieb sich in der Weltgeschichte rum. Als ich kurz nach Mitternacht ins Bett ging, war von Willi noch nichts zu sehen.

Am nächsten Tag – Willi schlief bis 9!!! – erhielten wir einen Anruf, der die Ankunft einer Freundin per Flugzeug ankündigte. Wir wollten sie vom Flughafen in Alicante abholen. Willi saß natürlich schon wieder vor sein "Schlepptopp", wie er es nannte.

Als dann plötzlich von ihm zu hören war: „Du, sie landet genau um 9.05 h am Freitag!“  
Da wusste ich es genau:   Willi war online!

P.S. Sehen tun wir uns nicht mehr so oft – aber ab und zu krieg ich von Willi mal `ne Mail!


Ein paar Tage später

Oh, Mann! Lass mich an Land, ich will aussteigen!
Willi und sein Schlepptop bringen unser ganzes Familienleben durcheinander.
Unsere Hündin Luna leidet unter Papas fehlenden Krauleinheiten (Willi hat es noch nicht drauf, einhändig zu surfen), ich bin immer lange vor ihm fertig, wenn es ans Einkaufen geht und der Mann ist abends nicht mehr ins Bett zu kriegen.

Bevor es morgens Frühstück gibt, geht es ins Internet: Wetterbericht abrufen. Andere Leute schauen aus dem Fenster - Willi nicht! Er schaut in sein Schlepptop.



Jetzt will er mir schon was bei ebay besorgen - von Schuhen bis zum Rührlöffel, Willi findet alles! Auch ein neues Auto hat er schon - für einen Euro meint er. Gut, das System hat er noch nicht ganz durchblickt und wird sich bestimmt wundern, dass ein paar Minuten vor Schluss der Auktion der Preis in enorme Höhen schießt. Aber ich sag nix. Lass Willi man seine Erfahrungen ganz allein machen.

Noch habe ich die Hoffnung, dass er dann in einem Wutanfall sein Schlepptop auf die Terrasse schmeißt...


Wieder ein paar Tage später

Willi ärgerte sich immer so, dass er nie eine e-Mail an die neu eingerichtete Adresse bekam. Ich schlug ihm vor, doch mal in einen Chat zu gehen und sich dort ein wenig umzuschauen. Das wollte er dann auch tun. Einen Tag später schon freute er sich, dass er auf einmal so reichlich Post bekam. Und immer schrieben ihm nur Frauen. Willi war überrascht.

Ich hielt mich da raus.

Doch dann kam eine Mail von ihm – eine Hilferuf. Es wurde ihm einfach zu viel mit den ganzen mysteriösen Frauenzimmern, wie er sich ausdrückte. Ob er denn im Chat seine e-Mail-Adresse angegeben habe, fragte ich. Nein, ganz sicher nicht. Hm. Ich ging rüber zu ihm, denn wir sitzen ja nicht im selben Raum.

Ich schaute mir einmal ganz genau die Absender an.

Ach mein Willi! Er hatte sich bei einer Partnervermittlung angemeldet. Dem Himmel sei Dank konnte ich ihn da wieder rausholen, aber Willi behauptet immer noch steif und fest, er sei doch nur in einem Chat-Room gewesen.

Wir haben ein neues Haustier. Willi brachte es in einem Schuhkarton, in dessen Deckel sich einige Löcher befanden.

„Damit sie besser Luft bekommt“, grinste er.



Ein Spielgefährte für Luna, dachte ich erst. Doch dann holte Willi den Familienzuwachs aus dem Karton: seine neue Computermaus! Dabei hatte er doch erst vor ein paar Tagen entschieden, so einen „Schnickschnack“ nicht nötig zu haben. Da ging es ja auch noch, aber seit gestern nun nervt er die ganze Familie.

„Luna, Luna, Luna…“ ging es in einer Tour. Ich kam gerade aus der Dusche, schaute um die Ecke um zu sehen, was Willi denn mit Luna am Wickel hat.

„Ah, gut dass Du kommst. Luna, Luna, schau mal, Frauchen ist da.“ Ich verstand immer noch nicht, was da los war. Dann winkte mich Willi zu seinem Schlepptop. „Schau doch mal.“ Nun muss ich gestehen, ohne Brille bin ich blind wie ein Maulwurf. Und da ich ohne Brille zu duschen pflege, sah ich nur irgendwas Buntes auf seinem Desktop.

„Hast Du einen neuen Bildschirmschoner?“

Willi bog sich vor Lachen und reichte mir meine Brille. Und da sah ich das ganze Ausmaß des Elends: Willi hatte eine Kamera an sein Laptop angeschlossen.



Ich hatte wirklich vergessen, dass sein Sohn ihm dieses Ungetüm auch noch geschenkt hatte. Und nun nahm mein Willi alles auf, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Und ich HASSE es, aufgenommen zu werden.

Seitdem bekomme ich recht viele Mails – von Willi. Betreff lautet immer: “Ein neues Rätsel: Was ist das?“. So begann ein lustiges Bilderraten mit Willis Glatze, seinem Gaumenzäpfchen und sonstigen Wichtigkeiten, die er nun mittels der neuen Kamera für die Nachwelt festhält.

Was lernen wir daraus? Unterschätze nie das technische Genie Deines Partners.

Bei dem Gedanken, Willi könnte eines Tages lernen, wie man eine dicke, nasse, nur mit einem Badelaken bekleidete Frau ein YouTube einstellt, beginne ich Fingernägel zu kauen.

© Lilac Namez, Spanien 2010

1 Kommentar:

  1. Ich habe Tränen gelacht , wunderbar geschrieben :-)

    Liebe Grüße mal so von Willi an Willi , übrigens kann ich mir so ein Puzzel mit der neuen Kamera gut vorstellen ..,
    pssst ganz leise sonst hört es Willi noch

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